Jahreslosung 2023 - Du bist ein Gott, der mich sieht. (Genesis 16,13)
Die Welt der Bibel ist keine heile Welt. Gewalt, Unrecht und Missbrauch gehören von Anfang an zu dieser Welt. Macht wird ausgenutzt und missbraucht. Männer herrschen über ihre Frauen. Freie über Sklaven. Besitzende über Arme. Es gab wenige Gewinner und Gewinnerinnen, dafür umso mehr Verlierer und Verliererinnen.
Christian Vogt,
Hagar gehörte zu letzteren. Als Frau, als Ausländerin, als Besitzlose, als Sklavin lebte sie auf der Schattenseite des Lebens. Hagar musste oft unten durch und sich dem Willen anderer beugen. So auch als ihre Herrin Sarah nicht schwanger werden konnte. Sarah machte ihre Sklavin zur Leihmutter. Hagar sollte Abraham den ersehnten Stammhalter gebären. Menschenverachtend und doch wohl zu jener Zeit normal. Sarah wird nicht kritisiert. Als aber eintraf, was Sarah wollte, konnte sie es nicht ertragen und glaubte, dass ihre Sklavin sie geringachte. Das hielt Hager nicht mehr aus. Sie floh in die Wüste. Sie floh in den Tod, getrieben durch die Härte der weltlichen Strukturen.
Da erst greift Gott ein. Ein Bote Gottes tröstet sie. Er spricht ihr Mut zu. Das gibt Hagar Kraft. Ihre Situation verändert sich nicht. Doch Gott sieht ihr Elend. Er anerkennt ihre Not. Er erkennt Hagar. Gott sieht sie. Das tröstet sie.
Wieviel Leiden gibt es in unserer Welt, weil Not, Schmerz und Verletzungen nicht gesehen werden? Wie viel Ungerechtigkeit bleibt bestehen, weil Menschen, aus Angst übersehen zu werden, nur sich selbst sehen?
«Du bist ein Gott, der mich sieht», macht frei von den Fesseln der Angst. Wer gesehen wird, wird frei andere zu sehen. Wer andere sieht, kann ihre Not und ihren Schmerz sehen. Wo sich Menschen erkennen, verändert sich die Welt.